Rita und Atti möchten der Welt ein Kind schenken. Andrea. Sie soll der Dank dafür sein, dass Ihr Bruder nach fünf Jahren die Leukämie besiegt hat. Doch Andrea wird nicht lange leben, sie hat Trisomie 13. Noch vor Geburt wendet sich Rita an das Kinderhospiz Löwenherz – und nimmt das neue Angebot der pränatalen Begleitung in Anspruch.
„Mein Frauenarzt hatte mir von Löwenherz und der pränatalen Begleitung erzählt. Aber es fiel uns unglaublich schwer, diesen Schritt zu gehen. Schon die Diagnose hatte ein tiefes Loch, eine klaffende Wunde, in unser Leben gerissen. Wir hatten das Gefühl, die Wunde jedes Mal von neuem aufzureißen, wenn wir darüber sprechen. Wir haben uns regelrecht davor gedrückt“, erinnert sich Mutter Rita. Im Rückblick aber sei es die richtige Entscheidung gewesen, auf die professionelle Unterstützung von Löwenherz zu setzen.
Pränatale Begleitung profitiert von Löwenherz-Netzwerk
„Wir begleiten Eltern und Familien in Bremen und Niedersachsen, die ein Baby mit einer lebensbegrenzenden Erkrankung erwarten. Und zwar schon ab dem Zeitpunkt der Diagnose, also auch während der Schwangerschaft. Dabei profitieren wir von unserem großen Netzwerk, unterstützen durch unsere Erfahrung und unser Fachwissen und gehen verschiedene Optionen mit den Familien gedanklich durch. Wir sind Gesprächspartnerinnen für alle Themen, die die betroffenen Familien bewegen“, erklärt Isa Groth, Kinderkrankenschwester, Trauerbegleiterin und Konfliktberaterin, die Grundzüge des neuen Löwenherz-Angebots. Und ihre Kollegin Thekla Lund, ebenfalls Kinderkrankenschwester und Trauerbegleiterin sowie systemische Familienberaterin, ergänzt: „Wir können Hilfestellungen geben, damit die Familien ihre eigenen Antworten finden. Als neutrale Personen, denen vielleicht mehr zugemutet wird als Angehörigen oder Freunden, die man gerne schützen möchte. Und wir sind natürlich auch nach dem Tod des Kindes für die Familie da.“
„Wir würden nie ohne einen konkreten Auftrag die Dinge in die eigene Hand nehmen.“
Thekla Lund, Löwenherz-Koordinatorin
Ganz wichtig dabei ist, betont Thekla Lund, dass Löwenherz bei der pränatalen Begleitung nur Angebote macht. „Wir würden nie ohne einen konkreten Auftrag die Dinge in die eigene Hand nehmen.“ Auch dürfe ein Plan jederzeit wieder umgestoßen werden. „Das besondere ist ja die Tatsache, dass mit Geburt und Tod zwei einschneidende und zutiefst bewegende Ereignisse zeitlich sehr nah zusammenfallen. In dieser Ausnahmesituation gibt es nicht den einen richtigen Weg. Egal, wie sich die Familien entscheiden, wir gehen ihren Weg mit.“
Die positiven Dinge bewahren
Kurz nach Neujahr kommt Andrea zur Welt. Ihren Kindern hatte Rita erzählt, Andrea sei ein kleiner Engel, der nur kurz vorbeischauen würde. Doch der Engel will länger bleiben. Sechs Tage ist Andrea bei ihrer Familie. Sechs Tage, an denen auch Isa Groth viel vor Ort im Krankenhaus ist. Dann verabschiedet sich Andrea. Eine Pastorin segnet sie, ihre Geschwister nehmen gemeinsam mit der Ehrenamtlichen Abschied, Vater Atti lässt sich seine Tochter auf die Brust legen. Andrea schläft friedlich ein. Für immer.
Wie der Moment des Abschieds aussieht, wann er eintritt – die Familien wissen nicht, was auf sie zukommt. Eine medizinische Prognose ist „nur“ eine Prognose. Tritt der Tod vor Geburt ein? Wird das schwerkranke Kind doch noch zu Hause gepflegt? Welche Dinge müssen gekauft werden? Es ist ein schwieriges, emotionales Spannungsfeld in dem sich alle Beteiligten bewegen müssen. Für beide Koordinatorinnen ist klar: „Wir sehen es dabei auch als unsere Aufgabe an, die positiven Dinge zu bewahren. Das Kennenlernen und Abschiednehmen führt dazu, dass die Kinder zu einem Teil der Familie werden. Wir wollen dabei helfen, Erinnerungsstücke zu sammeln. Selbst ein Hauch von Begegnung hinterlässt Spuren.“