Karge Gerölllandschaften, klare Luft, die unermessliche Weite der alpinen Berge und den Gipfel vor Augen: Was für ambitionierte Wanderer essentieller Bestandteil jeder Bergtour ist, bleibt für Menschen mit schwerer Behinderung ein Wunschtraum. Eigentlich. Denn für Eva, Jana, Jonas und Felix ist dieser Traum in Erfüllung gegangen.
Am frühen Morgen geht es los
Die Jugendlichen leiden an der seltenen Erbkrankheit Pontozerebelläre Hypoplasie (PCH). Sie können weder sprechen noch laufen, epileptische Anfälle und Krämpfe verlangen durchgängige Pflege. Den Aufstieg zur Europahütte in mehr als 2000 Meter Höhe in den Schweizer Alpen haben sie dennoch geschafft. Dank der Unterstützung von Freunden, Pflegepersonal und ihren Eltern, die als Teil der „PCH-Familie“ auf diese Erkrankung aufmerksam machen möchten. Und mittendrin in dieser Gruppe von etwa 30 Personen: Jörg Landscheid von Monkiewitsch, Case-Manager im Kinder- und Jugendhospiz Löwenherz: „Jonas und Felix kommen regelmäßig ins Kinderhospiz. Beim letzten Aufenthalt hat der Vater mich gefragt ob ich nicht mit will, da ich ja auch schon Wandererfahrungen im Himalaya gemacht habe. Ich war sofort von der Idee begeistert.“
Eine gigantische Hängebrücke wartet
Mit speziellen Geländerollis, einrädrig und mit einem E-Motor ausgerüstet, machen sich die Wanderer am frühen Morgen auf den Weg in Richtung Gipfel. Vor ihnen liegt ein Aufstieg von sieben bis acht Stunden – lange Pausen inklusive. Ist der Weg zunächst noch angenehm zu laufen, wird er stetig immer steiler. „Zwischenzeitlich habe ich die Idee verflucht – um dann aber im nächsten Augenblick um eine Ecke zu biegen und wieder die Schönheit der Berge zu genießen“, erinnert sich der Case-Manager.
Letzter Kraftakt auf dem Geröllfeld
Nach einigen Stunden dann die erste echte Herausforderung: Ein gigantisches Bauwerk, die mit 494 Metern längste Fußgänger-Hängebrücke Europas, wartet auf Eva, Jana, Jonas und Felix und ihre Unterstützung. Ist an dieser Stelle „nur“ Schwindelfreiheit gefragt, wird die Tour kurz vorm Ziel zu einer echten Kraftaufgabe. Der Wanderweg mündet in einer Geröllwüste, hier stoßen die Rollis an ihre Grenzen. Jetzt ist Kraft gefragt, es ist der schwierigste Moment der Wanderung. Die vielen Helferinnen und Helfer wuchten die Jugendlichen über die letzten steinernen Hindernisse. Aufgeben kommt so kurz vor dem Ziel nicht in Frage. „Die Ausblicke von der Europahütte auf die Berge und das Gefühl, dass die Jugendlichen es geschafft haben dorthin zu kommen, waren fantastisch. Viele haben gedacht, dass diese Idee Wahnsinn ist. War sie auch – aber trotzdem haben wir es möglich gemacht, die Brücken und die Steine, die uns im Weg lagen, zu überwinden. So, wie viele Familien mit ihren Kindern jeden Tag Schluchten und Steine auf ihrem Weg überwinden müssen“, weiß Jörg Landscheid von Monkiewitsch.