Sterben und Tod gehören zum Leben dazu. Trotzdem fällt es oft schwer, darüber zu sprechen. Besonders, wenn es um das eigene Kind geht. Seelsorgerin Maren Kujawa berichtet über ihre Erfahrungen bei Löwenherz.
Die Seelsorgerin und Pastorin Maren Kujawa arbeitet seit zwei Jahren für Löwenherz. „Eine sehr bewusste Entscheidung“, wie sie sagt. Ihr Arbeitsplatz im Kinderhospiz ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen der evangelisch-lutherischen Landeskirche und dem Verein.
„Der Tod im Alter scheint natürlicher. Sterbende Kinder und Jugendliche klammert die Gesellschaft aus.“
Maren Kujawa, Seelsorgerin bei Löwenherz
„Das Leitbild von Löwenherz ‚Wir sind da, wir tragen mit – im Leben und im Sterben‘ entspricht dem christlichen Auftrag, Menschen in Not zu begleiten und zu unterstützen“, so Maren Kujawa. „Um sich dem Thema ‚Sprechen über Tod und Sterben‘ zu nähern, ist Behutsamkeit und individuelle Hinwendung wichtig.“
Als Pastorin war und ist sie mit dem Thema vertraut, auch die Gespräche über den nahenden Tod kennt sie. In ihrer ehemaligen Gemeinde waren die Sterbenden zumeist in höherem Alter. „Der Tod im Alter ist normaler. Die Gesellschaft klammert bei dem Thema Sterben Kinder und Jugendliche häufig aus. Bei Löwenherz ist das anders. Das Sterben von jungen Menschen ist hier mehr Realität als in der Welt da draußen.“
Die Schwierigkeit, über den Tod des eigenen Kindes zu sprechen
Eltern wissen meist schon seit Jahren oder ab Geburt des unheilbar erkrankten Kindes um dessen frühen Tod. Der vollgepackte Alltag verdrängt häufig den Gedanken daran, Gespräche bleiben schnell auf der Strecke. Bei den Aufenthalten bei Löwenherz gibt es plötzlich Zeit zum Innehalten und Nachdenken. „Das kann einen schon mal aus der Bahn werfen. Mit Gesprächen und Zuhören versuche ich, die betroffene Person zu stützen.“
„Menschen benötigen Bilder, weil wir nicht wissen, was danach kommt. Sie helfen, den Tod besser zu verarbeiten.“
Maren Kujawa, Seelsorgerin bei Löwenherz
Oft fällt es den Eltern schwer über den Tod des eigenen Kindes zu reden. Behutsam lotet die Seelsorgerin auf niedrigschwellige Art aus, wer gerade Redebedarf hat und wer nicht. Oft passiert das beim gemeinsamen Essen im „Down Under“ oder der „Oase“. Dort versucht die Seelsorgerin mit den Eltern in Kontakt zu kommen und herauszuhören, was die Eltern bewegt. Gerade auch im Hinblick auf den Tod ihres Kindes, selbst wenn dieser noch fern scheint: „Sich mit der Beerdigung des Kindes rechtzeitig und früh zu beschäftigen, ergibt Sinn.“
Über den Tod sprechen: Wo Worte fehlen, helfen Rituale
Ist das Kind in der letzten Lebensphase, helfen Rituale da, wo Sprache versiegt. Stirbt ein Kind im Hospiz, wird eine Kerze angezündet. Einige Wochen nach dem Tod wird sein Schmetterling in den Himmel entlassen. Gebastelt wurde dieser beim ersten Aufenthalt des Kindes, genau zu diesem Zweck. Manchmal hängt der Schmetterling Jahre, manchmal auch nur wenige Monate. Im Jugendhospiz ist es das Segel, welches nach dem Tod des Jugendlichen auf weite Fahrt geht.
Sind das nur schöne Allegorien? „Mitnichten, wir Menschen benötigen diese Bilder, weil wir nicht wissen, was danach kommt. Sie helfen, den Tod besser zu verarbeiten“, so die Seelsorgerin. Helfen könne auch das Bemalen des Sarges oder das eigens gebastelte Armband von Bruder oder Schwester. Sterben, Tod und Trauer bekommen dadurch eine andere Dimension und die Aufarbeitung setzt ein – auch ohne Worte. „Die Eltern haben das Recht über den Tod des Kindes zu sprechen, sie haben aber auch das Recht, es nicht zu tun.“
Liegt ein Kind im Sterben spürt das gesamte Team aus Pfleger*innen und Begleiter*innen in die Situation hinein. „Da kann es auch sein, dass ich mich ganz im Hintergrund halte. Es geht nicht darum, aktiv zu trösten, sondern die Trauer in der Gemeinschaft auszuhalten und einfach da zu sein.“