Die emotionalen Momente sind es, die alle Mitarbeitenden und die Löwenherz-Familien prägen. Schön, traurig, bewegend: In der Kinderhospizarbeit gehen die unterschiedlichsten Gefühle Hand in Hand.
Zum Abschied schwerelos
„Gewissenhafte Vorbereitung ist alles – gerade bei Löwenherz. Die Kinder und Jugendlichen, die zu Löwenherz kommen, haben individuelle Ansprüche. Vieles muss bedacht werden. Manches scheint im ersten Augenblick schier unmöglich und aussichtslos. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Ich erinnere mich noch genau: Ein beatmeter Jugendlicher wollte unbedingt in unser Bewegungsbad. Er war ein begeisterter Schwimmer gewesen und konnte sich noch gut an das Gefühl der Schwerelosigkeit im Wasser erinnern. Dann erkrankte er, war an den Rollstuhl gefesselt und wurde beatmet. Dieses Gefühl der Schwerelosigkeit wollte er unbedingt noch einmal erleben. Also machte ich mich zusammen mit einer Kollegin daran, ein Konzept für seinen Besuch im Bad zu erstellen. Ganze sechs Stunden Vorbereitung – ein Mammutakt. Dann der große Moment: Wir ließen den Jugendlichen langsam ins Wasser. Ein Strahlen ging über sein Gesicht – große Zufriedenheit bei ihm und uns. Das Ganze schrie nach Wiederholung. Doch dazu kommt es nicht mehr. Sieben Tage später verstirbt der Jugendliche zu Hause an seiner Erkrankung. In Erinnerung an ihn bin ich froh, dass wir so viel Herzblut darangesetzt haben, seinen Badewunsch zu erfüllen.“
Petra Cegiolka, Pflegefachkraft
Let´s rock
„Jugendhospizarbeit bedeutet auch, Dinge möglich zu machen. Dinge, die für Jugendliche ohne Einschränkung eher zu den alltäglichen oder wöchentlich wiederkehrenden Acts gehören: sich mit Freund*innen treffen, Konzerte besuchen oder auch einfach zum Abrocken in die Disco zu fahren. Für Löwenherz-Jugendliche ist all das eine Herausforderung. Ins Auto setzen und losfahren – Fehlanzeige! Welche Barrieren gibt es vor Ort? Wer fährt als Betreuung mit? Trotz aller Fragen wagen wir es immer wieder. Und: Es ist immer ein riesiger Erfolg! In solchen Momenten schaue ich in überglückliche Augen. Aktionen wie diese erinnern mich daran, dass das Alltägliche gerade für unsere Jugendlichen eine große Besonderheit ist. Das stimmt sehr nachdenklich und motiviert mich ungemein, die Wünsche auf »Selbstbestimmung und Autonomie« der Löwenherz-Jugendlichen umzusetzen und weiterhin so bewegende und emotionale Momente gemeinsam mit ihnen zu erleben. Seien es die kleinen oder großen.“
Jen Sallein, Begleiter*innen-Team
100 Prozent Vertrauen
„Seit mehr als 20 Jahren arbeite ich jetzt schon bei Löwenherz, in dieser Zeit habe ich wirklich viel erlebt. Aber an eine Sache denke ich auch heute immer mal wieder zurück. Bei einem »Tag der offenen Tür« hatten sich ein Vater und seine Tochter angemeldet, um eine Spende von einer Trauerfeier der verstorbenen Ehefrau und Mutter zu übergeben. Die beiden haben im Gespräch so vertrauensvoll und voller Liebe von der Verstorbenen erzählt, dass viele Tränen geflossen sind. Mich hat das sehr berührt. Emotionen und Mitgefühl sind Teil meiner Arbeit, darauf sind meine Kolleginnen und ich vorbereitet. Aber dieses Gespräch hat mir noch einmal ganz deutlich gezeigt, was für ein besonderer Ort Löwenherz ist. Ein Ort, an dem uns die Menschen zu 100 Prozent vertrauen. Und sie brauchen manchmal genau diese Atmosphäre, um sich komplett zu öffnen. Dieses Vertrauen zu spüren, war für mich ein ganz besonderer Moment.“
Edda Oltmann, Spendenverwaltung
Typisch Löwenherz: Wie dicht Freud und Leid beieinander liegen
Es ist der 13. August 2020, ein wirklich heißer Tag. Am Nachmittag beginnt die Wasserschlacht des Jahres. Alle Gartenschläuche, Eimer und Gießkannen kommen zum Einsatz. Geschwisterkinder, Mitarbeitende aus allen Bereichen, Kinder, Jugendliche und Eltern rennen laut lachend und jauchzend durch den Garten. Alex guckt sich das bunte Treiben gerne von der Terrasse aus an, die Elektronik von Rolli und Beatmung vertragen sich mit Wasser nicht so gut. Aber er hat sichtlich seinen Spaß, feuert seine Schwester an. Plötzlich wird er still, bekommt einen seltsamen Blick, läuft blau an, bekommt keine Luft. Schnell wechseln wir in sein Zimmer, die Absauge dort ist besser. Sein Papa hebt ihn, selbst klatschnass, fix auf das Bett. Während gerade noch draußen alle Kräfte gebraucht wurden, werden sie nun am Bett nötig. Und sie sind da.
Jeder unterstützt, wie er kann. Mama und Schwester stehen eng an der Zimmerwand, um nicht im Weg zu sein, zerquetschen sich gegenseitig die Hand, die Schwester tropft den Boden voll, aber sie wollen den Raum nicht verlassen. Papa spricht beruhigend auf Alex ein, der immer mehr wegdriftet. Der Notarzt wird gerufen, aber alle Wagen sind im Einsatz. Also muss er per Hubschrauber eingeflogen werden. Es sind für alle wirklich bange Minuten. Und dann ist der Atemweg mit neuer Kanüle wieder frei, zusehends geht es Alex besser. Hoffnung breitet sich im Zimmer aus. Alle trauen sich wieder, mit Alex zu atmen. Die Schwester geht sich endlich etwas Trockenes anziehen, Mama hat das Bedürfnis nach einem Schnaps, wenn das alles vorbei ist. Der Notarzt hat mit seinem Team nur noch die schöne Aufgabe festzustellen, dass die Werte besser werden und dass Alex im Löwenherz bestens aufgehoben ist. Als der Hubschrauber wieder abhebt, entsteht wieder hektische Unruhe im Zimmer. Aber nur, weil Alex vom Bett aus den Start des Hubschraubers nicht verpassen möchte. Ein sicheres Zeichen, dass er zwar sehr kaputt ist, es ihm aber schon fast wieder gut geht. Im Down Under steht für die Eltern ein Schnaps bereit. So sind sie, die Löwenherzen.
Sandra und Markus Heeren, Löwenherz-Familie